Freitag, 25. September 2015

Wäre ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich überlebensfähig?


Am Sonntag finden in Katalonien "plebiszitäre" Regionalwahlen statt. Fünf Millionen stimmberechtigte Katalanen sind aufgerufen, indirekt über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien zu entscheiden.
Die Einheitsliste separatistischer Parteien "Junts pel Si" kann mit einer knappen absoluten Mehrheit rechnen. Doch neben Nationalgefühlen spielen für viele Katalanen vor allem die wirtschaftlichen Folgen einer Unabhängigkeit eine entscheidende Rolle für ihre Stimmenabgabe.
Katalonien erholt sich wie der Rest Spaniens nur langsam von der Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei über 22 Prozent. Somit rücken vor allem zwei Fragen zum Ende der Wahlkampagne in den Mittelpunkt sämtlicher Diskussionen: Was kostet die Unabhängigkeit? Und ist ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich überhaupt überlebensfähig?

Katalanische Politik für Katalanen

Die Antwort des separatistischen katalanischen Regionalpräsidenten Artur Mas (CDC) ist eindeutig: Ein katalanischer Staat vertritt die Interessen der Katalanen besser als die spanische Zentralregierung, die seit Jahren mit einer katastrophalen Wirtschaftspolitik auf die Krise reagiert und nicht die Investitionen in Katalonien macht, die nötig sind, um die Krise zu überwinden.
"Die Popularität unserer Unabhängigkeitsbewegung ist selbstverständlich mit dieser wirtschaftlichen Frage verbunden, gerade für die jungen Generationen. Wir brauchen die Unabhängigkeit, um die juristischen und wirtschaftlichen Werkzeuge zu haben, die Krise zu überwinden", erklärt auch Jordi Sanchez, Vorsitzender der Katalanischen Nationalversammlung ANC. Die Bürgerbewegung gehört neben den beiden großen separatistischen Parteien zur treibenden Kraft der Unabhängigkeitsbewegung.

Teure neue Staatsstruktur

"Niemand weiß, ob Katalonien alleine schneller die Krise überwunden hätte. Ich bezweifle das. Wir wissen aber, dass ein unabhängiges Katalonien einen enorm hohen Schuldenausgleich mit Spanien zu begleichen hätte. Zudem müssten sie den kostspieligen Aufbau neuer Staatsstrukturen tragen, was die beginnende Überwindung der aktuellen Krise in Katalonien um Jahre oder Jahrzehnte zurückwerfen würde", erklärt der spanische Wirtschaftsexperte Jose Piquer von der Madrider IE University.
Die separatistische Regionalregierung ist sich der schwierigen Ausgangslage bewusst. Die Kosten sind schlecht zu schätzen. Alles hängt davon ab, wie die Verhandlungen mit Madrid nach der Unabhängigkeit über Schulden, Steuern und Pensionen enden. Fraglich ist auch, ob sich Katalonien eine Armee leisten würde und ob man neues Geld drucken muss oder den Euro behalten kann. Elisenda Paluzie, Wirtschaftsexpertin und Kandidatin des separatistischen Parteienbündnisses "Junts pel Si", schätzt die Kosten auf bis zu 202 Milliarden Euro. "Durch die Einbehaltung der bisher nach Madrid abzugebenden Steuern, die größtenteils nicht zurückfließen, sondern in strukturschwächeren Regionen Spaniens landen, stünden Katalonien jährlich über zwölf Milliarden Euro mehr zur Verfügung", gibt Paluzie allerdings zu bedenken.

Würde Katalonien in der EU bleiben?

Auch andere Wirtschaftsexperten sind sich sicher, dass Spaniens wirtschaftsstärkste Region, die rund 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet und mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern 16 Prozent der spanischen Bevölkerung ausmacht, auf lange Sicht wirtschaftlich überleben kann.
Doch das hängt davon ab, ob Katalonien auch weiterhin in der EU und im Euroraum bleiben kann, sollte es sich einseitig für unabhängig erklären. Das Problem: Die spanische Zentralregierung will ein Unabhängigkeitsreferendum und eine Abspaltung Kataloniens nicht zulassen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versicherte noch am Dienstag, Katalonien würde bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung nicht nur automatisch aus der EU fliegen, sondern habe auch gar nicht das Recht, die Unabhängigkeit auszurufen, weil dies gegen die spanische Verfassung verstoße.
Bei der zu erwartenden Frontalkonfrontation zwischen Madrid und Barcelona dürften nur wenige EU-Staaten, aber auch andere Länder wie die USA, nicht bereit sein, wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Katalonien aufzubauen, versichert Jose Piquer.

Bis zu 35 Prozent Arbeitslosigkeit

Kataloniens Bank würde damit der Zugang zu Hilfen der Europäischen Zentralbank versperrt. Heute überlebenswichtige EU-Fördergelder für Bauern, Industrie und andere Wirtschaftszweige würden ebenfalls wegfallen. Auch die internationalen Investitionen gingen laut verschiedenen Finanzexperten bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung extrem zurück. Von den katalanischen Exporten, die in EU-Staaten mit Zöllen belegt werden müssten, nicht zu reden. In einem solchen Panorama würde die Arbeitslosigkeit auf bis zu 35 Prozent klettern können, so Fachleute.
Die Möglichkeit, aus der EU auszuscheiden, macht viele Wähler nun zu Recht nervös und damit auch die Separatisten. Jüngster Beweis: Auf die Ankündigung des spanischen Notenbankchefs Luis Maria Linde, Katalonien würde bei einer Abspaltung den Euro und die EU-Mitgliedschaft verlieren, antwortete Mas mit der Möglichkeit, dass Katalonien vielleicht einfach nicht mehr seine Schulden mit Spanen begleichen könnte.

Quelle: Format

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