Die zwar vorläufige -voraussichtlich aber endgültige- Auβerkraftsetzung der Souveränitätserklärung Kataloniens durch den Verfassungsgerichtshof Spaniens eröffnet einen Konfrontationsprozess zwischen Katalonien und Spanien. Zum zweiten Mal in knapp drei Jahren hat die Madrider Regierung den Justizapparat benützt, um die nationalen und bürgerlichen Pläne Kataloniens zu stoppen. Das Urteil vom 8. Mai 2013 versucht, der katalanischen Gesellschaft das Selbstbestimmungsrecht zu verweigern, so wie damals das Urteil vom 30. Juni 2010 die im Autonomiestatut vorgesehenen wirtschaftlichen und kulturellen Kompetenzen abschmetterte, obwohl das spanische Parlament es verabschiedet hatte und die Katalanen im Referendum 2006 sich dafür sprachen. Das neue Statut versuchte die Lücken vom Alten zu beheben, das 1979 unter militärischeren Bedrohungen angenommen wurde, was die Transition von Diktatur Francos zur auf der Bourbon-Dynastie aufgebauten Demokratie überschattete.
In der letzten dreiβig Jahren hat Katalonien allerlei Nichteinhaltungen erlitten müssen. Erstens bei der wirtschaftlichen Finanzierung, denn über 8% des BIP Kataloniens wird jährlich der spanischen Verwaltung zur Deckung finanzieller Bedürfnisse anderer Regionen übertragen. Nichteinhaltung auch was Kultur und Sprache angeht mit ständigen Bedrohungen gegen das katalanische Schulwesen. Zudem hat der spanische Staat immer verhindert, dass Katalonien sein eigenes Image ins Ausland projiziert. Es ist eben nichts aus dem föderalistischen Nationalitätenstaat geworden; eher das Gegenteil: In den letzten Jahren hat der Staat ständig die katalanischen Regierungskompetenzen mit dem Ziel der Zentralisierung gekappt.
Die Auβerkraftsetzung der Souveränitätserklärung bedeutet, dass die Madrider Regierung über die für sie untrennbare Einheit Spaniens nicht verhandeln will. Die für die Anfechtung zuständige Rechtsanwaltschaft hat davor gewarnt, dass sowohl ein von der katalanischen Regierung aufgerufenes beratendes Referendum wie auch plebiszitäre Parlamentswahlen verhindert werden, wenn das Urteil vom Verfassungsgerichtshof, das im Oktober 2013 bekannt wird, die Souveränitätserklärung auflöst, die Katalonien als juristisches und politisches Subjekt definiert. Damit warnt die Rechtsanwaltschaft davor, dass die offiziellen Verhandlungsangebote Kataloniens für eine verfassungsmäβige Referendumsformel mit der Einwilligung der Zentralregierung -so wie im Falle Schotlands mit dem Vereinigten Königreich- ggf. unfruchtbar sind.
Die ganze Reihe von Anfechtungen und Verboten, die die demokratischen Prinzipien verletzen, könnte mit der Rechtsanwendung vom Art. 155 der Verfassung gekrönt werden, der die Suspendierung der Autonomie vorsieht, oder vom Art. 8, in dem der Armee der Aufrechterhaltung der Einheit Spaniens anvertraut wird. Beide Szenerien verletzen den EU-Vertrag, den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, wie auch den Geist des Europarates, des Hochkommissariats zum Schutz nationaler Minderheiten mit Sitz in Den Haag und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die internationale Gemeinschaft soll deshalb Ausschau halten, dass in Europa die roten Linien in der Demokratie und dem Zusammenleben nicht überschritten werden.
Llibert Ferri
Journalist. Ehemaliger Korrenspondent und Fernseherreporter in Russland und Osteuropa.
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