Zu dem o.g. Artikel habe ich einige sachliche
Einwände. Wenn in der Berichterstattung aus Madrid beweisbare Fakten leider
immer wieder verschwiegen werden, müssen die aber auch wieder in Erinnerung gebracht
werden. Ich werde nicht auf mehrere Formulierungen des Artikels eingehen, die die
katalanische Regierung in einem äusserst negativen Licht erscheinen lassen und
mich auf wenige Punkte beschränken.
Erstens, wenn immer wieder auf die Schulden
Kataloniens und die Bitten um Hilfe der spanischen Zentralregierung hingewiesen
wird, entsteht absichtlich oder nicht der Eindruck, dass die katalanischen
Schwierigkeiten durch Fehler oder Inkompetenz der katalanischen Regierungen
entstanden sind. Das ist falsch. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass
Spanien in den letzten 25 Jahren aus Katalonien übermässig Steuergelder
entzogen hat. In der genannten Zeitspanne, beweist die monetäre Bewegung eine
enorme Differenz zugunsten Madrids zwischen den aus Katalonien an die Zentralregierung überwiesenen Steuern,
und den Investitionen und Dienstleistungen der Zentralregierung in Katalonien.
In dem genannten Zeitraum beträgt diese Differenz ca. 250 Milliarden €, das
entspricht jährlich im Durchschnitt etwa 8 % des katalanischen BIP. Das ist das
zehnfache der Last die der LFA der Hessen, Bayern oder Baden-Württemberg auf
die Barrikaden bringt.
Zweitens, gibt es gesetzlich geregelte Rechte
und Pflichten, auf Grund dessen die Zentralregierung um bestimmte Aufgaben der
Autonomien zu ermöglichen, Geld an diese überweisen muss. Dieser Verpflichtung ist
die Zentralregierung im Fall Kataloniens seit einigen Jahren nicht meht
nachgekommen. Dadurch entsteht eine Verschärfung der Schieflage der
katalanischen Finanzen. Wir haben also einen Zustand, in dem die spanische
Zentral-regierung ihre Schulden nicht an die katalanische Regierung bezahlt,
und für ähnliche Summen müssen die Katalanen um eine Anleihe aus Madrid bitten
und 7 % Zinsen bezahlen.
Um ihre gesetzwidrige Haltung zu rechtfertigen,
erklärt die spanische Regierung, dass kein Geld für die Begleichung der
Schulden an Katalonien vorhanden ist. Spanien hat aber anscheinend genug Geld
um Milliarden zu vergeuden in:
a) den Versuch insolvente Banken zu retten
anstatt sie abzuwickeln;
b) politisch gewollte aber wirtschaftlich
unsinnige Vorhaben weiter zu betreiben wie u.a.. die Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinien
zwischen Madrid und La Coruña, so wie zwischen Madrid und der portugiesischen
Grenze;
c) übermässige Waffeneinkäufe für die stark
reduzierte spanische Armee zu betätigen;
und d) doppelte und aufgeblähte
Verwaltungsstrukturen zu halten, mit denen die Zentralregierung auch in
Bereiche eingreift, die gemäss Verfassung Aufgabe der Autonomien sind (vor allem
im Gesundheits- und Bildungswesen).
Es trifft auch nicht zu, dass die katalanische
Regierung, in Katalonien die spanische Regierungspartei PP um Unterstützung
welcher Art auch immer ersuchen könnte. Wie die Stimmung heute in Katalonien ist,
wäre das für die katalanische Regierungspartei politischer Selbstmord und würdein
den nächsten Wahlen vom Wähler streng bestraft werden.
Es trifft weiter auch nicht zu, dass Rajoy den
Katalanen nur bessere Bedingungen zu gestehen darf, wenn die EU auch Spanien an
höheres Defizit erlaubt. Der letztens zugestimmten
Erhöhung des Defizits von 0.7 auf 1,5 des BIP hat die spanische
Zentralregierung für sich selbst behalten und nicht mit den Autonomien geteilt.
Das hätte die Lage in Katalonien nicht gelöst aber erheblich erleichtert.
Und letztens, trifft es auch nicht zu (auch
wenn das die verbreitete spanische Lesart ist) dass EU-Vertreter kategorisch
behauptet hätten, „dass ein Bruch mit Spanien für Katalonien den Auschluss aus
der Union bedeuten würde“. Die jetzige Sachlage ist, dass solange Katalonien
Spanien gehört, kann die EU zu einer hypotetischen Unabhängigkeit keine
ofizielle Meinung haben, eben weil bis jetzt kein Präzedenzfall und keine Regel
existieren. Nur nach einer Unabhängigkeitserklärung der katalanischen Regierung
und des katalanischen Parlaments, wuüde dann eine Entscheidung nach Sachlage
getroffen, und die ist nicht bei weitem so eindeutig wie Ihr Korrespondent
schildert.
(Wenn der Brief nicht veröffenlicht wird,
bitte ich um Weiterleitung an Herrn Berthold Köhler, an Herrn Günther
Nonnenmacher und an Herrn Klaus Dieter Frankenberger)
Betr. „Bittgang Nach Madrid“, von Leo Wieland,
FAZ 30.03.2013.
Von: Pere Grau, Hamburg
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