Montag, 1. April 2013

Leserbrief an die Frankfurt Allgemeine Zeitung

 
Zu dem o.g. Artikel habe ich einige sachliche Einwände. Wenn in der Berichterstattung aus Madrid beweisbare Fakten leider immer wieder verschwiegen werden, müssen die aber auch wieder in Erinnerung gebracht werden. Ich werde nicht auf mehrere Formulierungen des Artikels eingehen, die die katalanische Regierung in einem äusserst negativen Licht erscheinen lassen und mich auf wenige Punkte beschränken.
 
Erstens, wenn immer wieder auf die Schulden Kataloniens und die Bitten um Hilfe der spanischen Zentralregierung hingewiesen wird, entsteht absichtlich oder nicht der Eindruck, dass die katalanischen Schwierigkeiten durch Fehler oder Inkompetenz der katalanischen Regierungen entstanden sind. Das ist falsch. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass Spanien in den letzten 25 Jahren aus Katalonien übermässig Steuergelder entzogen hat. In der genannten Zeitspanne, beweist die monetäre Bewegung eine enorme Differenz zugunsten Madrids zwischen den aus Katalonien  an die Zentralregierung überwiesenen Steuern, und den Investitionen und Dienstleistungen der Zentralregierung in Katalonien. In dem genannten Zeitraum beträgt diese Differenz ca. 250 Milliarden €, das entspricht jährlich im Durchschnitt etwa 8 % des katalanischen BIP. Das ist das zehnfache der Last die der LFA der Hessen, Bayern oder Baden-Württemberg auf die Barrikaden bringt.
 
Zweitens, gibt es gesetzlich geregelte Rechte und Pflichten, auf Grund dessen die Zentralregierung um bestimmte Aufgaben der Autonomien zu ermöglichen, Geld an diese überweisen muss. Dieser Verpflichtung ist die Zentralregierung im Fall Kataloniens seit einigen Jahren nicht meht nachgekommen. Dadurch entsteht eine Verschärfung der Schieflage der katalanischen Finanzen. Wir haben also einen Zustand, in dem die spanische Zentral-regierung ihre Schulden nicht an die katalanische Regierung bezahlt, und für ähnliche Summen müssen die Katalanen um eine Anleihe aus Madrid bitten und 7 % Zinsen bezahlen.
Um ihre gesetzwidrige Haltung zu rechtfertigen, erklärt die spanische Regierung, dass kein Geld für die Begleichung der Schulden an Katalonien vorhanden ist. Spanien hat aber anscheinend genug Geld um Milliarden zu vergeuden in:
a) den Versuch insolvente Banken zu retten anstatt sie abzuwickeln;
b) politisch gewollte aber wirtschaftlich unsinnige Vorhaben weiter zu betreiben wie u.a.. die Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinien zwischen Madrid und La Coruña, so wie zwischen Madrid und der portugiesischen Grenze;
c) übermässige Waffeneinkäufe für die stark reduzierte spanische Armee zu betätigen;
und d) doppelte und aufgeblähte Verwaltungsstrukturen zu halten, mit denen die Zentralregierung auch in Bereiche eingreift, die gemäss Verfassung Aufgabe der Autonomien sind (vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen).
 
Es trifft auch nicht zu, dass die katalanische Regierung, in Katalonien die spanische Regierungspartei PP um Unterstützung welcher Art auch immer ersuchen könnte. Wie die Stimmung heute in Katalonien ist, wäre das für die katalanische Regierungspartei politischer Selbstmord und würdein den nächsten Wahlen vom Wähler streng bestraft werden.
 
Es trifft weiter auch nicht zu, dass Rajoy den Katalanen nur bessere Bedingungen zu gestehen darf, wenn die EU auch Spanien an höheres Defizit erlaubt.  Der letztens zugestimmten Erhöhung des Defizits von 0.7 auf 1,5 des BIP hat die spanische Zentralregierung für sich selbst behalten und nicht mit den Autonomien geteilt. Das hätte die Lage in Katalonien nicht gelöst aber erheblich erleichtert.
 
Und letztens, trifft es auch nicht zu (auch wenn das die verbreitete spanische Lesart ist) dass EU-Vertreter kategorisch behauptet hätten, „dass ein Bruch mit Spanien für Katalonien den Auschluss aus der Union bedeuten würde“. Die jetzige Sachlage ist, dass solange Katalonien Spanien gehört, kann die EU zu einer hypotetischen Unabhängigkeit keine ofizielle Meinung haben, eben weil bis jetzt kein Präzedenzfall und keine Regel existieren. Nur nach einer Unabhängigkeitserklärung der katalanischen Regierung und des katalanischen Parlaments, wuüde dann eine Entscheidung nach Sachlage getroffen, und die ist nicht bei weitem so eindeutig wie Ihr Korrespondent schildert.
(Wenn der Brief nicht veröffenlicht wird, bitte ich um Weiterleitung an Herrn Berthold Köhler, an Herrn Günther Nonnenmacher und an Herrn Klaus Dieter Frankenberger)
Betr. „Bittgang Nach Madrid“, von Leo Wieland, FAZ 30.03.2013.
 
Von: Pere Grau, Hamburg

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