Montag, 18. März 2013

Bericht über die wirtschaftliche Machbarkeit der Unabhängigkeit Kataloniens: Fiskaldefizit



Um die Unabhängigkeitsbewegung zu verstehen, ist es sehr wichtig zu wissen, was es heißt, daß Katalonien ein fiskalisches Defizit gegenüber dem spanischen Staat hat. Dieser Begriff wurde vom spanischen Staat nur nach langen Protesten der katalanischen Zivilgesellschaft akzeptiert, und infolgedessen willigte das spanische Parlament in die Veröffentlichung der fiskalischen Bilanzen zwischen den Autonomien und der Zentralregierung ein.

Das katalanische Fiskaldefizit bedeutet, daß die fiskalische Bilanz Kataloniens mit dem spanischen Staat einen negativen Saldo ausweist, weil die Katalanen jedes Jahr an den Zentralstaat Steuern zahlen, die viel höher sind als die Investitionen und laufenden Ausgaben, die der Zentralstaat in Katalonien durchführt. Das bringt eine Entkapitalisierung des Landes mit sich. Nur durch private Initiativen und privates Kapital, das aus der Arbeit und aus den Taschen der Katalanen kommt, wird die Wirkung jener Differenz etwas gemildert (bei Schulen, Krankenhäusern, Kitas, Kliniken, Autobahnen, usw.). Dieser Zustand wird aber immer unhaltbarer.

Um Mißverständnisse vorzubeugen: ein vernünftiger und geregelter Beitrag zum spanischen Länderfinanzausgleich (ähnlich wie in Deutschland zwischen den Bundesländern) ist von den Katalanen nie in Frage gestellt worden. Wir nennen Fiskaldefizit, was in einer Größenordnung darüber hinaus geht, und das keines der deutschen Länder tolerieren würde.

Die registrierten Daten für die Periode 2002-2005 ergeben einen jährlichen Durchschnittswert von 14 Milliarden €. Das Land bezahlt 42 Milliarden € und bekommt 28 Milliarden. Wir schätzen, dass in den Boomjahren 2006-2008 das jährliche Defizit die 21 Milliarden € erreichte, d.h. ein 10 % des katalanischen BIP.

Das ist leider keine Ausnahme, sondern wenn wir andere frühere Perioden weglassen und nur den demokratischen Zeitraum ab dem Punkt der Bildung der Autonomien betrachten, hat Katalonien weit über seine Möglichkeiten einen großen Teil der anderen Autonomien subventioniert. Wenn wir nur die nähere Periode 1990-2010 betrachten und wir nur ein jährliches Defizit von 8 Milliarden € annehmen (die weder die jetzigen 21 noch die 14 aus dem Jahre 2002 entsprechen), kommen wir in 20 Jahren auf einen Betrag von 160 Milliarden. Das entspricht 76 % des katalanischen BIP.

Bei dem letzten errechneten Defizit von 21 Milliarden €, heißt das, das jeder Katalane, weil er Spanier ist, jeden Monat 233 € zuviel bezahlen muß und eine dreiköpfige Familie, aus demselben Grunde, 8.400 € jährlich. Jeden Tag verschwinden aus den Taschen der Katalanen 60 Mio. €.

Im Gegenteil zu den Behauptungen, die viele spanische Medien und Politiker aus eigenem Interesse verbreiten, ist das keine „Solidaritätsquote“ (die mit den normalen Länderfinanzausgleich schon abgegolten wäre) sondern eine „Ausbeutungsquote“.

Solidarität kann und darf nicht über vernünftige und tragbare Grenzen gehen, wenn es in unseren eigenen Land wesentliche Mängel gibt mit wachsenden Armutsbereichen (In Katalonien gibt es 1,2 Mio Personen mit einem Einkommen von weniger als 60 % des Landesdurchschnitts).

Solidarische Subventionen an andere Gebiete sollten zeitlich begrenzt sein, um keine Fehlentwicklungen entstehen zu lassen, da sonst die Einnahmequelle erschöpft wird (wir töten das Huhn, das goldene Eier legt).

Wie würde ein Katalane praktisch im Alltag merken, dass Katalonien unabhängig wäre?

Das ist leicht zu bemessen, ohne sich auf Spekulationen verlassen zu müssen. Bevor wir aber weiter darauf eingehen, ist es interessant, die jetzige Lage der Finanzen Kataloniens mit denen des Baskenlandes und Navarra zu vergleichen. Baskenland und Navarra sind keine unabhängige Staaten, genießen aber das Privileg, über eigene Finanzen verfügen zu können. Bei der Regelung der autonomischen Finanzen in der jetzigen spanischen Verfassung wurden für Baskenland und Navarra die Rechte anerkannt, die diese Regionen sich nach den karlistischen Kriegen des 19. Jhdts. von den zentralen Regierungen ausbedungen hatten. Die alten Rechte Kataloniens wurden aber nicht anerkannt. Dazu muß man bemerken, daß die spanische Verfassung noch in einem Klima verfaßt wurde, das von der Angst vor einem neuen Putsch reaktionärer Generäle bestimmt war. Diese Angst zwang die Verfasser des neuen spanischen Grundgesetzes (besonders die Katalanen) manche Kröte schlucken zu müssen, die sie sonst nie akzeptiert hätten. Baskenland und Navarra behalten also alle erhobenen Steuern erst ein und verhandeln nachher mit dem Zentralstaat über eine „Quote“ als Bezahlung der Dienstleistungen die sie von jenem bekommen. Das wird „Wirtschaftliche Konzertation“ genannt. Dank dieses Paktes erlauben die Einkünfte pro Kopf diesen Gebieten öffentliche Ausgaben, die viel höher sind als die katalanischen, obwohl die Größe ihrer Wirtschaften wesentlich kleiner als die katalanische ist.

Was wir hier „Ausbeutungsquote“ genannt haben, entspricht also einem permanenten Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben. Um dieses Defizit auszugleichen, muß die Generalitat1 sich verschulden, d.h. sie belastet zukünftige Generationen mit wachsenden Schulden. Zur Zeit beträgt die aufgelaufene Landesschuld ca. 22 Milliarden € plus 7 Milliarden von anderen öffentlichen katalanischen Unternehmen oder Institutionen. Die Bedienung dieser Schulden hat 2010 ca. 3 Milliarden € gekostet. Wenn wir dieses fiskalische Defizit mit dem Staat nicht hätten, würden wir Schulden und Zinsen allmählich tilgen und unsere Solvenz als Land festigen können.

Es ist entlarvend, dass die spanischen Medien die Entscheidung der Generalitat kritisieren, einjährige Landesanleihen zu einem höheren Zins als dem normalen auf dem Markt zu emittieren. Niemand erwähnt aber, daß die Schieflage in den Konten der Generalitat das Ergebnis der ständigen fiskalische Ausbeutung ist.

Wenn Katalonien unabhängig wäre und wir zu den jetzigen Einnahmen im Haushalt der Generalitat von 39,7 Milliarden € die „Ausbeutungsquote“ von etwa 21 Milliarden addieren, hätten wir Einnahmen von 60,7 Milliarden, d.h. 52% mehr als jetzt. Die drastischen Kürzungen, die jetzt die Generalitat anwenden muß, um Ausgaben zu senken (Beamtenlöhne, Pensionen, Inves-titionen, Steuererhöhungen, etc.) würden unnötig werden.

Bemerken wir noch, daß wenn das Verfassungsgericht das Statut in der ihm präsentierten zweiten Fassung bewilligt hätte, wäre das Ergebnis etwas besser als jetzt, aber im Vergleich zu dem Finanzierungsdefizit, das auf uns lastet, wären die Zahlen immer noch lächerlich gering.

Die spanische Zentralverwaltung schätzt oft die Zahlen des katalanischen Defizits als wären sie viel geringer. Um auf diese Ergebnisse zu kommen, verwendet sie den sogenannten „Nutzentransfer“. Im Gegenteil zu dem „monetarischen Transfer“, der die Gelder, die einem Gebiet abgezogen oder zugeführt werden, objektiv berechnet, ist der „Nutzentransfer“ sehr subjektiv, weil er davon ausgeht, dass manche Investitionen, die in der Hauptstadt des Staates getätigt werden, allen anderen Gebieten zugute kommen. Und so werden diese Investitionen so gebucht, als ob ein Teil davon auch in anderen Gebieten des Staates erfolgt wären, wie z.B. die Kosten des Pradomuseums, ein Teil der Kosten der Beamten der Madrider Verwaltung oder der neue Terminal des Madrider Flughafen Barajas etc. Das ergibt keinen Sinn.

Der chronischer, fiskalischer Aderlaß Kataloniens, in Millionen Euros und % des katalanischen BIP, seit 1986 bis 2009. Eine Statistik der katalanischen Landesregierung".   

1 „Generalitat“ (Allgemeinheit) ist der historische Name der Regierung Kataloniens. Es ist eine Abkürzung des ursprünglichen Namens „Diputació del General“ (Abordnung der Allgemeinheit)

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