Ein Grund
für die vehement steigende Zahl von Katalanen, die für einen unabhängigen
katalanischen Staat (im europäischen Rahmen) eintreten, ist die als
ausbeuterisch wahrgenommene Art, wie die spanische Regierung die katalanischen
Steuergelder, die im Prinzip zur Erfüllung staatlicher Aufgaben in Katalonien
bestimmt sind, zu zwei Dritteln abzieht und in Madrid und andere Landesteile
verteilt.
In
Deutschland sind zur Zeit drei Bundesländer Geberländer und 13 Nehmerländer.
Bayern gab zuletzt 3.904 Mill. € (311 €
pro Kopf), Baden-Württemberg 2.694 Mill.
€ (250 € pro Kopf) und Hessen 1.327
Mill. € (219 € pro Kopf).
In Deutschland wird der Finanzausgleich mit der Bundesregierung ausgehandelt. In
Spanien ist der Regierung verfassungsmäßig das Recht
eingeräumt, ohne jede Konsultation der
Länder die Steuern zu verteilen und sich von ihrer Mehrheit im Parlament
absegnen zu lassen. Sie hat sich außerdem bis 2009 erfolgreich geweigert,
durchsichtige Zahlen über den Länderfinanz“ausgleich“ bekannt zu geben. Erst
allmählich sickerte durch, dass z. B. 2009 16,409 Milliarden von den in
Katalonien eingenommenen Steuergeldern im übrigen Spanien verteilt wurden.[1] Auf die 7,6 Mill. Einwohner Kataloniens entfallen jährlich pro Kopf
2.169 €, mit denen sie den Rest Spaniens finanzieren. Das ist das Zehnfache
dessen, was z. B. ein Hesse in den Länderfinanzausgleich einzahlt. Es wurde
auch deutlich, dass 1986, direkt nach Francos Tod, der Aderlass nur die Hälfte
betrug und dass er in den letzten Jahren schon auf 18 bis 20 Milliarden
gestiegen ist.
Katalonien schaut fassungslos auf diese Zahlen und vergleicht, wie es
dem Baskenland geht, das in der politischen Situation nach dem Ende der
Diktatur mit einem geschickten Schachzug seine historischen Rechte auf eigenen
Einzug der Steuern durchsetzen konnte. Das Baskenland hat kein Defizit.
Katalonien hingegen ist rechnerisch die höchstverschuldete Region Spaniens. Die
Mittel, die die spanische Regierung Katalonien übrig läßt, reichen nicht aus,
um die Infrastruktur und die öffentlichen Ausgaben aufrechtzuerhalten, die Katalonien
braucht, das trotzdem immer noch als Zugpferd Spaniens funktionieren soll. So
ergibt sich die paradoxe Situation, dass die katalanische Regierung 9,1 Milliarden
aus dem Hilfsfonds der spanischen Regierung erbetteln muss, obwohl genau diese
Regierung jährlich das Doppelte davon aus Katalonien abzieht. Madrid weigert
sich rigoros die fette Pfründe fahren zu lassen. Langsam wird es auch dem
letzten Einwohner Kataloniens klar, dass es so nicht weitergehen kann. Madrid
will es offenbar darauf ankommen lassen, Katalonien ganz zu verlieren. Nicht
gerade das intelligenteste Verhalten.
Prof. Dr. Tilbert Dídac Stegmann
Institut für Romanische
Sprachen und Literaturen
Forschungsstelle Katalanistik
[1] Saldo der für
Restspanien aus Katalonien abgezogenen Steuereinnahmen aus Katalonien (also
abzüglich der wieder für Katalonien verwendeten staatlichen Einnahmen), Zeitraum
2002 – 2006: € 92,777 Milliarden, Zeitraum 1986 – 2001: € 72,328 Milliarden.
Insgesamt € 165,105 Milliarden. Zahlen nach Lluís Bonet und Claudi Grinyó:
„Solidaritats històriques“, in: Sobirania i pensament, Butlletí N. 19,
15.9.2011. Dort alle weiteren Angaben. Rechnet man die jährlichen Zahlungen
seit 2006 mit ein – sechs mal
durchschnittlich 18 Milliarden – so ergibt sich eine Summe von € 273,105
Milliarden. Das sind 35.935 €, die jeder Katalane an Spanien hat zahlen müssen,
damit er Teil Spaniens bleiben kann. Ein recht kostenintensiver
Mitgliedsbeitrag.
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