Donnerstag, 7. Februar 2013

Länderfinanz“ausgleich“ in Spanien – ein Aderlass für Katalonien

Ein Grund für die vehement steigende Zahl von Katalanen, die für einen unabhängigen katalanischen Staat (im europäischen Rahmen) eintreten, ist die als ausbeuterisch wahrgenommene Art, wie die spanische Regierung die katalanischen Steuergelder, die im Prinzip zur Erfüllung staatlicher Aufgaben in Katalonien bestimmt sind, zu zwei Dritteln abzieht und in Madrid und andere Landesteile verteilt.

In Deutschland sind zur Zeit drei Bundesländer Geberländer und 13 Nehmerländer. Bayern gab zuletzt 3.904 Mill. € (311 pro Kopf), Baden-Württemberg 2.694 Mill. € (250 € pro Kopf) und Hessen 1.327 Mill. € (219 € pro Kopf).

In Deutschland wird der Finanzausgleich mit der Bundesregierung ausgehandelt. In Spanien ist der Regierung verfassungsmäßig das Recht eingeräumt,  ohne jede Konsultation der Länder die Steuern zu verteilen und sich von ihrer Mehrheit im Parlament absegnen zu lassen. Sie hat sich außerdem bis 2009 erfolgreich geweigert, durchsichtige Zahlen über den Länderfinanz“ausgleich“ bekannt zu geben. Erst allmählich sickerte durch, dass z. B. 2009 16,409 Milliarden von den in Katalonien eingenommenen Steuergeldern im übrigen Spanien verteilt wurden.[1] Auf die 7,6 Mill. Einwohner Kataloniens entfallen jährlich pro Kopf 2.169 €, mit denen sie den Rest Spaniens finanzieren. Das ist das Zehnfache dessen, was z. B. ein Hesse in den Länderfinanzausgleich einzahlt. Es wurde auch deutlich, dass 1986, direkt nach Francos Tod, der Aderlass nur die Hälfte betrug und dass er in den letzten Jahren schon auf 18 bis 20 Milliarden gestiegen ist.

Katalonien schaut fassungslos auf diese Zahlen und vergleicht, wie es dem Baskenland geht, das in der politischen Situation nach dem Ende der Diktatur mit einem geschickten Schachzug seine historischen Rechte auf eigenen Einzug der Steuern durchsetzen konnte. Das Baskenland hat kein Defizit. Katalonien hingegen ist rechnerisch die höchstverschuldete Region Spaniens. Die Mittel, die die spanische Regierung Katalonien übrig läßt, reichen nicht aus, um die Infrastruktur und die öffentlichen Ausgaben aufrechtzuerhalten, die Katalonien braucht, das trotzdem immer noch als Zugpferd Spaniens funktionieren soll. So ergibt sich die paradoxe Situation, dass die katalanische Regierung 9,1 Milliarden aus dem Hilfsfonds der spanischen Regierung erbetteln muss, obwohl genau diese Regierung jährlich das Doppelte davon aus Katalonien abzieht. Madrid weigert sich rigoros die fette Pfründe fahren zu lassen. Langsam wird es auch dem letzten Einwohner Kataloniens klar, dass es so nicht weitergehen kann. Madrid will es offenbar darauf ankommen lassen, Katalonien ganz zu verlieren. Nicht gerade das intelligenteste Verhalten.



Prof. Dr. Tilbert Dídac Stegmann


Institut für Romanische
Sprachen und Literaturen
Forschungsstelle Katalanistik






[1] Saldo der für Restspanien aus Katalonien abgezogenen Steuereinnahmen aus Katalonien (also abzüglich der wieder für Katalonien verwendeten staatlichen Einnahmen), Zeitraum 2002 – 2006: € 92,777 Milliarden, Zeitraum 1986 – 2001: € 72,328 Milliarden. Insgesamt € 165,105 Milliarden. Zahlen nach Lluís Bonet und Claudi Grinyó: „Solidaritats històriques“, in: Sobirania i pensament, Butlletí N. 19, 15.9.2011. Dort alle weiteren Angaben. Rechnet man die jährlichen Zahlungen seit 2006 mit ein – sechs  mal durchschnittlich 18 Milliarden – so ergibt sich eine Summe von € 273,105 Milliarden. Das sind 35.935 €, die jeder Katalane an Spanien hat zahlen müssen, damit er Teil Spaniens bleiben kann. Ein recht kostenintensiver Mitgliedsbeitrag.

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