Dienstag den 11. September
2012 demonstrierten anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags in Barcelona
zwei Millionen Katalanen für einen eigenen Staat. Wir, die Assemblea Nacional de
Catalunya, haben diese Demonstration organisiert. Es war die größte
Demonstration der europäischen Geschichte seit 1945.
Eine deutsche Demonstration
ähnlicher Bedeutung hätte zwanzig Millionen Menschen auf die Straße bringen
müssen. Die größte deutsche Demonstration gab es am 4. November 1989 in
Ost-Berlin; sie versammelte eine halbe Million Menschen. Daß zur Demokratie auch
die nationale Selbstbestimmung gehört, galt in Deutschland damals noch. Auch
katalanische Zeitungen nahmen das zur Kenntnis.
Dem deutschen Leser der „Zeit“
hingegen wurde das jüngste europäische Großereignis in Barcelona nicht einmal
mitgeteilt. In der Ausgabe am Donnerstag dem 13. September 2012 gab es dazu
keine einzige Zeile. Eine Woche später war es nicht besser; die Zeit-Redaktion
schwieg uns weiter tot. War das Qualitäts-Journalismus? Wir wundern uns
sehr.
In der letzten Ausgabe vom
22.11.2012 schreibt Herr Jochen Bittner unter dem Titel „Am prächtigsten allein“
nun doch einen Artikel zu Katalonien. Wird der Zeit-Leser diesmal informiert?
Keineswegs. Der Autor will nur seine These vertreten („Reiche EU-Regionen wollen
raus aus ihren Staaten“). Über unser Land erfährt der Leser leider nichts.
Stattdessen Klischees und Verachtung. Wir staunen.
Die spanische Verfassung
degradiert unsere Nation schon zur „Region“. Herr Bittner hilft nach, so sind
wir nur noch eine „kleine Region“. Von dort rufen wir angeblich „immer lauter“
nach einem „Ministaat“. Zwar haben elf der siebenundzwanzig Nationen der
Europäischen Union weniger Einwohner als Katalonien. Aber Deutschland ist
natürlich größer! Wir sind zerknirscht.
Herr Bittner sucht Gründe und
wirft uns „Lokalismus“ vor. Wir wären von der Globalisierung überfordert und
hätten leider kein „echtes Wissen darüber (…) wie mit Abermilliarden Euros
jongliert wird“ und seien von „der Sehnsucht nach heiler kleiner Welt“
getrieben. Von den acht Prozent des katalanischen Inlandproduktes, die wir – wie
keine andere Nation in Europa! – jährlich an die spanische Nachbarnation
abgeben, weiß Herr Bittner nichts. Wir sind verblüfft von dem Hamburger
Lokalismus.
Unser „Neo-Biedermeier“ sei
aber keineswegs harmlos, sondern „mit anderen Affekten gemischt“. Der
katalanische Wunsch, als normale europäische Nation respektiert zu werden (bei
Bittner heißt das „Separatismus“) geht angeblich einher „mit Zorn, Missgunst und
Überlegenheitsgefühlen“. „Diese Mischung (sei) gefährlich, weil Europa sie noch
nie erlebt hat“. Noch nie erlebt? Was projiziert der offenbar sehr deutsche Herr
Bittner hier auf andere Völker?
Unser „Nationalismus“ sei ein
„Antistaatsnationalismus“ und der widerspreche der heute nötigen „Solidarität
der Staaten“. Was denn nun? Die katalanische Nation wird ihren Staat mit soviel
Staatlichkeit ausstatten wie die Deutschen den ihren. Und woher weiß Herr
Bittner, dass wir uns an den europäischen Strukturfonds nicht beteiligen werden
– übrigens als Netto-Zahler! – wie die Deutschen auch? Kennt er das Programm der
katalanischen Parteien?
Es gehe den „Katalanen nicht
um Freiheit oder Selbstverwirklichung. Kein Katalane wird ernsthaft behaupten
können, Madrid unterdrücke ihn“. Kein Wort zur Asymmetrie zwischen der
spanischen und katalanischen Nation im spanischen Staat, kein Wort zu den
Verfassungskonflikten der letzten Jahre, kein Wort zur Diskriminierung der
katalanischen Sprache und Kultur. Herr Bittner teilt dem deutschen Leser keine
Kenntnisse über Katalonien mit. Hat er welche?
Macht nichts. Wo Herrn Bittner
das Wissen fehlt, ist das Urteil umso kategorischer: Das Motiv der Katalanen
laute, „Solidarität zurückzufahren auf die kleinste gemeinsame Gruppe“. Und die
Katalanen seien „nicht bereit den Euro aufzugeben, sollten sie unabhängig
werden”. Das zeige „wieviel Gratis-Mut in ihren Bewegungen steckt“. Auf gut
deutsch: Wir Katalanen sind geizig und feige!
Einmal nähert sich Herr
Bittner dem Kern der Sache. Er erwähnt die „Pathologie des Nationalismus, der
andere Völker für minderwertig erklärt“. Nur, wen meint er dabei? Wir kommen ins
Grübeln. Die Zeit-Redaktion sollte dasselbe tun.
Gestern am 25. November 2012
haben die Katalanen ein neues Parlament gewählt. Die große Mehrheit der
Abgeordneten (87 von 135, also 64 Prozent) werden von Parteien gestellt, deren
Politik auf die rechtliche Gleichrangigkeit der katalanischen mit der deutschen
Nation hinausläuft. Werden die Deutschen das ertragen?
Wird die Redaktion der „Zeit“
diesmal ihrer journalistischen Pflicht genüge tun, die deutsche Öffentlichkeit
umfassend zu informieren, dabei katalanische Quellen zu verwenden und mit den
Katalanen so respektvoll umzugehen wie mit den Polen und den Tschechen. Das hat
sie doch auch gelernt. Qualitäts-Journalismus eben!
Auf diesem Weg helfen wir
Ihnen gerne.
Berliner Sektion der
Assemblea Nacional Catalana Deutschland
Unsere Antwort auf den Artikel
von Jochen Bittner “Am prächtigsten allein” veröffentlicht in “Die Zeit” vom 22.
Novembre 2012.
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