Sie, der/die Sie eine wichtige
Rolle in der Regierung eines Staates der Europäischen Union oder in der EU
selbst spielen, sollten wissen, dass, als Matthew Parris, Journalist und
Kolumnist der Times, darauf hinwies, Katalonien wäre eine tickende
Zeitbombe, er nur richtig lag, indem er auf das destruktive Potenzial für
Europa verwies, welches ein unkontrolliertes Ereignis in Katalonien haben
könnte, schlimmer noch als der Effekt von Zypern oder sogar Portugal. Ansonsten
irrt er sowohl in der Diagnose als auch beim Timing der Explosion.
Sie sollten nämlich wissen, dass es
nur noch eine Frage von Wochen oder wenigen Monaten ist bis diese Bombe
explodiert. Und diese Explosion wird nicht Folge eines sezessionistischen
Referendums sein, das in dieser Zeit nicht wird stattfinden können. Die
Explosion wird auf sozialer Ebene stattfinden und eher früher als später auch
nationale Folgen haben. Aber es wird unmittelbare wirtschaftliche und soziale
Folgen für Spanien und folglich für Europa geben.
Lassen Sie mich dies erklären:
1. Der spanische Staat schuldet der Regierung von Katalonien allein in der
aktuellen Legislaturperiode zehn Milliarden Euro.
2. Der spanische Staat wendet die Defizitreduzierung auf verzerrte Weise
an, indem den einzelnen autonomen Regionen ein ihrem budgetären Gewicht
gegenüber disproportionaler Prozentsatz auferlegt wird. Diesbezüglich sollten
Sie auch wissen, dass die autonomen Regionen in Spanien das Gesamtpaket des
Wohlfahrtsstaats selbst finanzieren: Gesundheit, Bildung, Sozialleistungen,
usw.
3. Dies bedeutet, dass der Apparat des Zentralstaates sein relatives
Gewicht erhöht anstatt insgesamt abzuschlacken, indem er sich von jeglichen
restriktiven Maßnahmen befreit. Zudem verwaltet der spanische Staat, der
größtenteils auch das öffentliche Budget bestimmt, große ineffiziente
Infrastrukturen, wie etwa das Flughafennetz, die Hochgeschwindigkeitszüge
(Spanien ist das Land mit dem dichtesten Hochgeschwindigkeitsnetz der
Welt) und eine überdimensionierte Armee. Des Weiteren werden öffentliche Gelder
eingesetzt um Löcher im Finanzsystem zu stopfen, was zu einer
Immobilienwirtschaft geführthat und dies auf Kosten einer produktiven
Wirtschaft.
4. Die Verteilung der Ressourcen ist zudem völlig ungerecht. Katalonien hat
einen fiskalen Defizit von 9% seines BIPs, während der Großteil der autonomen
Regionen einen fiskalen Überschuss aufweist, welcher in einigen Fällen
10% des BIP erreichen kann. Paradoxerweise müssen aber eben letztere Regionen
kaum Einschnitte vornehmen. Währenddessen ist die Arbeitslosigkeit
in Katalonien auf 27% gestiegen und das Gesundheits- sowie das Bildungswesen
stehen kurz vor dem Kollaps.
5. Mit diesen Rahmenbedingungen möchte der spanische Staat nun neue
Einschnitte vorschreiben, die in Katalonien Einsparungen von über vier
Milliarden Euro vorsehen (0,7% Defizit). In relativen Begriffen gesehen sind
diese Einschnitte viel drastischer als etwa in Zypern oder Portugal. Hinzu
kommt, dass Katalonien nicht über staatliche Organe und Instrumente verfügt, 9%
seines BIP an einen zentralistischen Staat abgeben muss (obwohl dieser
Katalonien zehn Milliarden Euro schuldet).
Wenn Ihnen dieses Schreiben
vorliegt, sollten Sie wissen, dass die katalanische Gesellschaft noch nicht
früher explodiert ist, weil sie stets die Hoffnung auf einen Wechsel des
politischen System im Rahmen der Gründung eines eigenen Staates aufrecht
erhalten hat; eines eigenen Staates, der zugleich den Mangel an Demokratie,
sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Effizienz des spanischen Staates
ausgleichen sollte. Ein solcher von der Europäischen Union geschlichtete und
mit Spanien paktierte Abspaltungsprozess würde einen fundamentalen
Reformierungsprozess ermöglichen, dies auch im spanischen Staat, der für die
Mehrheit seiner Bürger wie ein Krebsgeschwür ist. Sollte die EU hingegen
tolerieren, dass Spanien die Zündschnur für Katalonien ist, wird Spanien
innerhalb von 24 Stunden ebenfalls fallen. Katalonien stellt 20% des spanischen
BIP dar, 25% der Staatseinnahmen, ein Drittel der Exporte sowie 40% der Exporte
hoher Technologie, und ist zudem Vorreiter in den Bereichen Forschung,
Entwicklung und Innovation. Auf Spanien würde dann die EU folgen, und alle von
Ihnen, die zu oft aus großer Distanz und mit absoluter Gleichgültigkeit die
Opfer betrachten, welche die Bürger Kataloniens zu verschiedenen Momenten der
Geschichte gebracht haben.
Sollten Sie nicht wissen wer ich
bin: Sieben Jahre lang war ich Minister in Katalonien in den Bereichen
Industrie, Handel, Tourismus und Universität. Seien Sie auf der Hut!
Josep Huguet
@josep_huguet
Ehemalige Minister der Regierung von Katalonien (2004-2010).
Präsident des Irla Foundation.
Wirtschaftsingenieur.
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